Das Virus trifft uns alle. Manche mit der ganzen Faust.

Ein Gastbeitrag von Schauspielerin Natalia Wörner und UFA-Produzent Marc Lepetit zur Entstehung der Kampagne #sicherheim

Natalia Wörner, Ritten, August 2020

Es ist ein wunderschöner, sonniger Tag. Ich bin auf einer Wanderung und laufe durch ein kleines Dorf in Südtirol . Ich höre Kinder – Kinder, die lachen, die singen und ich höre sie, bevor ich sie sehen kann. Sie kommen um eine Ecke gelaufen und für einen Moment stockt mir der Atem – die Kinderschar ist zwischen 4 und 6 Jahren, sie sind fröhlich und ausgelassen und es unterscheidet sie nichts von anderen Kindern, die im Sommer einen Ausflug machen, außer: Sie alle tragen Masken, hinter denen sie singen, lachen und scherzen.

Das Bild brennt sich in meine Netzhaut ein und ich bleibe stehen und frage mich, was in 10, in 20 in 30 Jahren in diesen Menschen an Erinnerungen aufflammen wird, wenn sie an das Jahr 2020 denken. Ein Jahr das ihre Kindheit durchpflügt hat wie ein Eisbrecher, ihnen neue Regeln und Auflagen mitgegeben hat und eben das Kostbarste mit Auflagen bestückt: die Nähe zum Nächsten.

Das Nähe auch tödlich sein kann, liegt nicht nur an einem Virus, mit dem wir alle lernen müssen, zu leben.

Berlin, März 2020

Der Lockdown beginnt und mit dem Rückzug beginnt bei mir eine Innenschau und die Flut an Bildern und Geschichten nimmt mich mit und ich bleibe an einem Artikel hängen. Es ist die Geschichte einer jungen Italienerin, die von ihrem Freund getötet wird, da er glaubte, sie hätte ihn mit Corona infiziert.

Ein Gefühl, etwas tun zu müssen, um den Frauen zu helfen, die in Situationen leben, in denen sie potentiell nicht sicher sind, formt sich – in mir ist Unruhe aufgekommen.

Die ersten Telefonate mit Marc Lepetit beginnen und sehr schnell wird deutlich, dass wir beide einen ähnlichen Impuls verspüren, und wir werden „Corona Buddies“ und gründen gemeinsam mit Tom Daske und Klaus Rehm die Initiative #sicherheim.

Marc Lepetit, Berlin, März 2020

Der Senat hat leere Hotels angemietet, um Frauen unterzubringen. Frauen, die es zu Hause nicht mehr aushalten. Weil die Situation härter geworden ist. „Der Virus trifft alle. Manche mitten ins Gesicht.“ 

#sicherheim möchte auf die Situation auch jenseits von COVID-19 aufmerksam machen, möchte das Thema „Häusliche Gewalt“ mit der Hilfe von prominenten Botschaftern aus dem Tabu heben. Es muss sich etwas ändern! Die Politik muss verstehen, dass mehr Mittel für das Thema der häuslichen Gewalt benötigt wird. Und es braucht akute Unterstützung der Verbände und Einrichtungen. 

Die Kampagne entsteht – und wir sind sichtbar. Überall. Und wollen das auch bleiben. Sammeln Aufmerksamkeit für die Thematik. Spenden für die Organisationen. Und Akzeptanz für all die Menschen da draußen, die Gewalt ertragen und sich immer wieder gefragt haben, warum ihnen niemand glauben will …

Natalia Wörner 

Auch wir werden auf dieses Jahr 2020 zurückblicken und uns fragen, was es mit uns gemacht hat , was wir aus ihm gemacht haben und was wir erreichen konnten , wen wir erreichen konnten und wie wir helfen konnten. Wir werden all das irgendwann beantworten können – auf alle Fälle waren wir nicht untätig in einer Situation in der es darum geht, loszulaufen, einfach etwas zu tun, weil es getan werden muss, weil es um Worte und um Taten geht.

Vielen Dank an alle, die mit uns gelaufen sind und die weiter laufen, die so lange laufen, bis wir auf dem Gipfel des Berges angekommen sind.

Alle Infos zur Kampagne mit Hilfsmöglichkeiten und Spenden unter: www.sicherheim.org

Hinweis: Dieser Beitrag erschien erstmals im femMit-Magazin 1/2020

Foto: Ralph Mecke (Natalia Wörner, Tom Daske, Marc Lepetit, v.l.n.r.)

Kommentieren...

Deine Email Adresse wird nicht angezeigt..

Ich drück die Daumen, dass du findest, wonach du suchst.