Die feministische Außenpolitik:
Mehr als ein Label, aber keine Revolution
Als erstes Land der Welt verkündete Schweden 2014 eine feministische Außenpolitik. Ein Report zeigt in diesem Jahr, dass durch sie mehr Gleichstellungsarbeit vorangetrieben wurde als jemals zuvor. An der Umsetzung hapert es laut drei Forscherinnen jedoch noch.
Text: Regine Glaß
2014 fiel das F-Wort in Schweden auf Regierungsebene. Zunächst erklärte der damalige sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfvèn, dass seine Regierung eine feministische sei. Und kurz darauf verkündete die damalige Außenministerin Margot Wallström als erste in der Welt eine feministische Außenpolitik. Die schwedische Regierung setzte sich damals vor allem vier Ziele: 1. Gesundheit und das Recht auf Selbstbestimmung des Körpers bei Mädchen mitzudenken, 2. die Rechte von geflüchteten Frauen und Migrantinnen zu stärken, 3. Gleichberechtigung und 4. ein Vorgehen gegen sexuelle Gewalt in humanitäre Einsätze und Reformprozesse einzubeziehen.
Damit setzte die schwedische Regierung eine globale Bewegung in Gang. Inzwischen sind es insgesamt etwa zehn Länder, die entweder eine feministische Außenpolitik erklärt oder sich zu deren Umsetzung verpflichtet haben. Schwedens Beispiel folgten 2017 Kanada, 2018 Frankreich, 2020 Mexiko, 2021 Spanien, Libyen, Luxemburg und Deutschland, und im Jahr 2022 zogen Chile und die Niederlande noch nach. 2023 stellte Annalena Baerbock ihre zehn Leitlinien für eine feministische Außenpolitik vor.
In allen Ländern, in denen schwedische Botschaften mit ihrer feministischen Außenpolitik vor Ort waren, waren die Anstrengungen um Gleichstellung gestiegen – die Ambition war hoch, doch an der Umsetzung haperte es.
Drei schwedische Forscherinnen – Ann Towns, Elin Bjarnegård und Katarzyna Jezierska – haben sich in einer 2023 erschienenen Studie damit befasst, was die schwedische feministische Außenpolitik von 2014 bis 2022 bewirkt habe. Der Titel „Mehr als ein Label, aber keine Revolution“ spiegelt ihr Ergebnis wider. In allen Ländern, in denen schwedische Botschaften mit ihrer feministischen Außenpolitik vor Ort waren, waren die Anstrengungen um Gleichstellung gestiegen – die Ambition war hoch, doch an der Umsetzung haperte es. Der Begriff der feministischen Außenpolitik habe es erlaubt, einen stärkeren Fokus auf Gleichstellung zu setzen, gab die Mehrheit der befragten Botschaftsmitglieder an. Doch stieß die Arbeit daran wegen fehlender Finanzierung sowie loser Führung an ihre Grenzen. Die größte Veränderung gab es im Bereich Handel, in dem der Fokus zuvor nicht auf der Gleichstellung der Geschlechter gelegen hatte. Das feministische Konzept scheint der Beobachtung der Forscherinnen nach wie eine treibende Kraft gewirkt zu haben, die die drei außenpolitischen Ebenen Entwicklungshilfe, Sicherheitspolitik und Handel vereinte. Es sei vor allem von der politischen Führung, doch keineswegs von allen Botschaftsmitgliedern benutzt worden. Zwar hat es die internationale Führung Schwedens in puncto Gleichberechtigung gestärkt, doch gleichzeitig auch Spannung mit rechtskonservativen Kräften erwirkt.
Und das hatte Konsequenzen: Während die Idee, durch Außenpolitik die Rechte von Frauen und Mädchen zu stärken, zu einem Exportschlager wurde, verabschiedete sich die aktuelle rechts-liberale Regierung kurz nach der Wahl im Herbst 2022 vom Wort „Feminismus“. Auf die Frage, ob es mit dem Ende der Benennung der feministischen Außenpolitik auch wirklich mit der feministischen Außenpolitik an sich vorbei sei, antwortete der aktuelle schwedische Außenminister Tobias Billström gegenüber dem schwedischen Fernsehsender SVT: „Die Anwendung des Begriffs der feministischen Außenpolitik hat dazu geführt, die Inhalte der Politik zu verschleiern. Deshalb wird die Regierung ihn ausmustern und nicht länger verwenden. Aber für Gleichstellung werden wir immer stehen.“
„Das ist ein typischer Teil des Rechtsrucks, dass zuerst Frauenrechte und Feminismus niedergemacht werden. Es kann nicht sein, dass Schweden das macht. Das ist ein großer Verlust. Aber es ist nicht das Ende der feministischen Außenpolitik.“
Kristina Lunz,
Begründerin des Zentrums für feministische Außenpolitik in Berlin
Eine der Verfasserinnen der Studie, Ann Towns, sagte im Interview, dass sie schon bemerkt habe, dass die Regierung „die Terminologie sehr schnell entfernt hat“. Als Beispiel nennt sie: „Die Botschafterin für die Gleichstellung der Geschlechter und Koordinatorin der feministischen Außenpolitik wird jetzt einfach Botschafterin für Geschlechtergleichstellung genannt.“ Und dabei sei es kein Zufall, dass der Begriff Feminismus wegfalle. Ihrer Meinung nach wäre es in der Politik nicht salonfähig, zu sagen, man sei gegen die Gleichstellung der Geschlechter. Gegen Feminismus könne man jedoch sein.
Auch Kristina Lunz, Begründerin des Zentrums für feministische Außenpolitik in Berlin und Autorin des Buches „Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch“, sieht es kritisch, dass sich die schwedische Regierung so schnell vom Begriff verabschiedet habe: „Das ist ein typischer Teil des Rechtsrucks, dass zuerst Frauenrechte und Feminismus niedergemacht werden. Es kann nicht sein, dass Schweden das macht. Das ist ein großer Verlust. Aber es ist nicht das Ende der feministischen Außenpolitik.“
Die Veränderungen, die die feministische Außenpolitik als Treibkraft bereits vollbracht hat, lassen darauf hoffen. —
Foto: Raul Mae, EU, 2017
links: Margot Wallström war von 2014 bis 2019 schwedische Außenministerin und gehört der Partei der schwedischen Sozialdemokraten an. Sie war außerdem im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen besondere Repräsentantin in Fragen, die sexuelle Gewalt in Konflikten betreffen. 2014 prägte sie den Begriff „Feministische Außenpolitik”.