Die Hälfte der Hausarbeit

Wenn wir über Rollenbilder sprechen, haben wir oftmals die im Kopf, die in unserem Umfeld bestehen. In der Rubrik ‚Blick über den Tellerrand‘ schauen wir in andere Länder. Christian Berg berichtet über Schweden und die Veränderungen der letzten 15 Jahre.

Als Mann für 6 Monate in Elternzeit zu gehen, war in Schweden vor 15 Jahren noch nicht selbstverständlich. Es war zwar akzeptiert, aber die Norm waren doch eher zwei Monate. Männer hatten schon aufgehört, sich als Versorger zu sehen oder sich damit zu brüsten, dass sie zu Hause ein bisschen mithalfen, um ihre Frau zu unterstützen. Aber die Elternzeit gleichmäßig aufzuteilen oder die Hauptverantwortung für das Abholen der Kinder von der Kita zu übernehmen, wurde von einem Mann noch nicht erwartet. 

Ehegattensplitting abgeschafft

Es war ein bisschen so wie heute in Deutschland; die Geschlechterrollen und männliche Privilegien wurden erstmals vorsichtig in Frage gestellt. Schweden hatte schon in den 70er Jahren das Ehegattensplitting abgeschafft und damit dafür gesorgt, dass Frauen nicht mehr finanziell von ihren Männern abhängig waren – trotzdem war man noch recht weit entfernt von echter Parität zu Hause und im Arbeitsleben.

„Heute ist es für einen gut ausgebildeten Schweden ziemlich peinlich, wenn er nicht mindestens sechs Monate Elternzeit nimmt oder die Hälfte der Mahlzeiten zubereitet.“

Heute, 15 Jahre später, ist es für einen gut ausgebildeten Schweden ziemlich peinlich, wenn er nicht mindestens sechs Monate Elternzeit nimmt oder die Hälfte der Mahlzeiten zubereitet. Er wird dann als Mann wahrgenommen, der mit seiner Männerrolle nicht richtig zurechtkommt, und der vielleicht nicht über die mentale Kapazität verfügt, Arbeit und Haushalt gleichermaßen zu bewältigen – ein bemitleidenswerter Typ. Das Karriereende wäre vorprogrammiert: Als Chef oder im Kundengespräch eher ungeeignet. 

Befreiung für die Männer

Wenn der Staat alte Geschlechterrollen nicht mehr durch Ehegattensplitting unterstützt, wenn die Unternehmen nicht mehr auf ständig verfügbare Männer setzen, wenn Frauen von ihren Partnern einfordern, dass sie die Hälfte der Haus- und Familienarbeit übernehmen, dann verliert das veraltete Männlichkeitsideal schnell an Attraktivität. Manche Männer kommen damit nicht klar und müssen in Männerlager fahren oder Krieg spielen im Wald. Aber die meisten schwedischen Männer erleben es als Befreiung und Weiterentwicklung. Es ist anspruchsvoller und schöner, mit Haushalt und Arbeit gleichermaßen klarzukommen. Was ja von Frauen schon lange erwartet wird. Wem es am besten gelingt, alle Bereiche des Lebens zu meistern, der oder die ist die Führungskraft der Zukunft – egal, ob Mann oder Frau.

Christian Berg ist neben Wiebke Ankersen Geschäftsführer der AllBright Stiftung. Geboren in Stockholm, studierte er an der Stockholm School of Economics. Er war von 1995 bis 2015 Diplomat, zuletzt als Abteilungsleiter für Presse, Kultur und Wirtschaftsförderung an der Schwedischen Botschaft in Berlin.  

Hinweis: Dieser Text erschien erstmals im femMit-Magazin 1/2021

Andere Beiträge aus der Rubrik: Blick über den Tellerrand

femMit-Magazin kaufen

2 Kommentare

Kommentieren...

Deine Email Adresse wird nicht angezeigt..

Ich drück die Daumen, dass du findest, wonach du suchst.