Die Musikbranche ist ein Buddybusiness

Singer-Songwriterin Antje Schomaker vereint mit ihrem neuen Song „Auf Augenhöhe“ 124 Musikerinnen* aus Deutschland. 

Interview: Susann Großmann

Wie bist du zu diesen 124 Musiker­innen* gekommen? Spiegelt das Dein persönliches Netzwerk wider? 

Natürlich habe ich als erstes meine Freundinnen angerufen, viele davon sind eher zufällig Teil meines Lebens geworden, Emily Roberts kenne ich seit bald 10 Jahren aus Hamburg, für Lina Malys altes Management habe ich mal gearbeitet, LEA habe ich vor vielen Jahren auf einem Konzert von Freunden getroffen. Außerdem habe in den letzten Jahren natürlich viele Sängerinnen kennengelernt und diese auch oft aktiv miteinander vernetzt, da ich daran glaube, dass uns diese Verbindungen stärken. Am Ende habe ich aber einfach eine sehr, sehr lange Liste geschrieben und hunderte Instagram-Nachrichten und E-Mails verschickt. Unterstützt hat mich dabei z. B. Alin Coen, so kamen 124 Frauen* zusammen. Hätten wir mehr Zeit gehabt, wären das sicher auch noch mehr geworden.

Welche Rolle spielen solche ­Netzwerke/Allianzen für Frauen* im Musikbusiness?

Solche Allianzen und Netzwerke sind auf jeden Fall sehr wichtig für das gegenseitige Empowerment. Am Anfang meiner Karriere wurde mir oft das Gefühl gegeben, als stünden wir alle in Konkurrenz zueinander, aber das sehe ich anders. Die komplette Musikbranche beruht auf einem Buddybusiness. Und so, wie viele Männer* jahrelang ihre Kumpels gebucht, gesigned oder supportet haben, müssen wir auch gegenseitig an uns denken, uns empfehlen, uns mitnehmen. Auch dass man sich gegenseitig zu Rate ziehen kann, ist wichtig. Ohne Lea, Lina und Emily hätte ich so einiges in den letzten Jahren nicht geschafft, einfach weil ich weiß, dass sie mit mir mitfühlen und neben mir stehen. Eine Jennifer Weist, Alin Coen oder Mieze Katz, die bei meinem Song dabei sind und mir schreiben, mich darin supporten, mir das Gefühl geben, dass wir gemeinsam wirklich etwas in der Branche (und auch außerhalb dieser) verändern können.


Welche Erfahrung war für dich ­per­sönlich ein Schlüsselerlebnis und damit vielleicht auch eine Initial­zündung für den Song „Auf Augenhöhe“?

Es geht bei dem Song gar nicht so viel um die Erlebnisse als Musikerin, ich glaube, jeder Mensch, der schon mal aufgrund seiner äußeren Merkmale oder Sexualität diskriminiert wurde, kann das nachvollziehen, wie es ist, wenn einem jemand nicht auf Augenhöhe begegnet. Es gab viele Schlüsselerlebnisse und das ist das Problem. Natürlich wurde ich auch schon sexuell belästigt, allen meinen Freundinnen ist das passiert. Mir wurde schon etliche Male etwas gemansplained, mir wurde nicht zugehört im Studio oder auf Tour, weil ich als Frau „natürlich“ weniger Ahnung habe und ich habe das ja echt gut verkabelt für eine Frau*. Die Initialzündung für den Song war aber ein Telefonat mit meiner Mutter, die mir erzählt hat, was ihr schon wieder auf der Arbeit in der Gebäudetechnikfirma in Dinslaken passiert ist. Ich war wütend. Ich wünsche mir, dass Menschen das hier lesen, oder den Song hören und mal im Umfeld fragen und ein eigenes Bewusstsein entwickeln. Viele Dinge, die mir passiert sind, habe ich erst später als Sexismus identifizieren können, und jetzt, wo ich diesen Sexismus schneller erkenne und weiß, warum mich manche Situationen oder Anmerkungen so unwohl fühlen lassen, kann ich besser reagieren und stärker aus solchen Momenten herausgehen.


Die Message des Songs ist ja eine deutliche Ansage. Musikalisch aber eher ein sanfterer Ton. Warum?

Der Song soll ein Gefühl vermitteln und am Ende auch die Hörer*innen bestärken. Ich wollte keinen Song produzieren, der einem von Anfang an vermittelt: „Hallo, hallo hier ist eine wichtige Message“, das empfinde ich manchmal eher als abschreckend. „Auf Augenhöhe“ sollen Menschen anhören und ihre ganz eigenen Erfahrungen hineininterpretieren können. Ein Freund hat dabei z. B. an seinen Vater gedacht, das zeigt also, es geht nicht unbedingt um Mann* und Frau* und das find ich toll. Der Song wird erst durch die Kampagne drum herum zum Song über Gleichberechtigung. Ohne die Kampagne kannst du ihn fühlen, wie Du willst.

„Die eigene Kompetenz so oft in Frage gestellt zu bekommen und nebenbei immer noch den Kampf für die eigene Gleichstellung zu kämpfen, erschöpft mich.“

Antje Schomaker

Wie divers ist das Feedback zu „Auf Augenhöhe“?

Bisher gab es durchweg positives Feedback bis auf einen YouTube-Kommentar, haha! Viele schreiben, dass sie dadurch tolle Gespräche in ihrem Umfeld hatten und viele Dialoge zum Thema. Ein paar haben daraufhin ihre eigenen Playlists gescannt und Musiker schrieben in ihren Storys, dass sie ein anderes Bewusstsein bezüglich der Branche und der Repräsentation von Frauen* gewonnen haben.


Ich war 2018 bei einem Konzert von Dir im Naumanns Leipzig. Die Antje, die ich jetzt erlebe, wirkt auf mich sehr viel gereifter als die Antje von damals. Was ist passiert?

Meine Erfahrungen als Frau im Musikbusiness sorgen, glaube ich,vielmehr dafür, dass ich manchmal einfach nur müde bin. „Gereifter“ ist natürlich durchaus positiv, aber ich glaube, dass ich auch befreiter war als mir noch nicht so klar war, dass manche Türen geschlossen bleiben bzw. viel schwieriger zu öffnen sind, wenn du eine Frau* bist. Natürlich bin ich auch mit vielen Musikern befreundet, bei denen ich sehe, wie selbstverständlich manche Dinge laufen, dass sie mehr Geld bekommen als eine andere befreundete Musikerin für den gleichen Gig, dass ich als Frau* tatsächlich Dinge fünfmal sagen muss und mein Kumpel muss es nur einmal sagen und es passiert. Die eigene Kompetenz so oft in Frage gestellt zu bekommen und nebenbei immer noch den Kampf für die eigene Gleichstellung zu kämpfen, erschöpft mich. Den Satz mit der „extra mile“, die wir Frauen gehen müssen, verstehe ich jetzt. Früher war ich die, die immer gut drauf war, heute habe ich manchmal einfach keinen Bock mehr, zu lächeln, wenn mir jemand sagt, ich sei eine Diva, nur weil ich frage, ob wir zur Sicherheit den Song beim Interview noch ein zweites Mal aufnehmen wollen (schließlich kann es ja auch mal technische Defekte geben). Daher: ja. Meine persönliche Veränderung hat auf jeden Fall auch mit den Erfahrungen als Frau* im Business zu tun.

Hinweis: Dieses Interview erschien erstmals im Newsletter-Journal zum Thema „Teilhabe“ von Music S Women* - dem Netzwerk für sächsische Musikfrauen*. 

Foto: Jonas Goedde

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