Employee -Experience verbessern und Mitarbeiter:innen halten

Text: Stefanie Söhnchen

Ein bestehendes Teammitglied ist manchmal wertvoller als eines, das man noch finden muss. So einfach dieser Grundsatz klingt, in deutschen Unternehmen scheint weiterhin eher ein Mindset von „Jede:r ist ersetzbar“ zu herrschen. Doch es kostet Zeit, Geld und Ruckeln in der Organisation, neue Mitarbeiter:innen onzuboarden – wenn man sie aktuell überhaupt findet und für sich gewinnen kann. Daher nimmt das Interesse am Behalten des bestehenden Teams und damit eine Investition in die sogenannte „Employee Experience“ (EX) aktuell zumindest langsam zu.

Der Markt ist gerade rosig für Jobwechsel, denn wir sind mitten im lange beschworenen „War for Talents“. Qualifizierte Kräfte genauso wie Praktikanten und Praktikantinnen können sich derzeit ihren Job aussuchen und stellen immer höhere Ansprüche an die Rahmenbedingungen.

Obwohl es da naheliegen könnte, dass Unternehmen besonders darauf achten, ihre bereits bestehenden Mitarbeiter:innen zu halten, wird häufig lieber der Recruiting-Funnel befüllt, als der eigenen Mannschaft zuzuhören. Viel schlauer für die Kultur, die Business-Effizienz und den Kontostand des Unternehmens ist es aber, erst die Hausaufgaben im inneren Kreis gut zu erledigen, denn das hält nicht nur bereits eingespielte Ressourcen, sondern macht es auch wahrscheinlicher, dass neue Mitarbeiter:innen bleiben.

Hier sind drei Impulse, was eine gute EX ausmachen kann:

Kultur aktiv gestalten

In zu vielen deutschen Unternehmen wird die Unternehmenskultur – das interne Gefühl des Miteinanders – noch sich selbst überlassen.

Durch das weiterhin stark verbreitete, siloartige Arbeiten entstehen fragmentierte Kulturen, die von der jeweiligen Führungskraft, deren Stärken und Vorlieben abhängig sind.

So dürfen manche Teams im gleichen Unternehmen remote arbeiten, andere nicht. Manche freuen sich auf gemeinsame Team-Erlebnisse, andere organisieren nur Fortbildungen – und am Ende bleibt für alle nur der mittlerweile zynisch belächelte Obstkorb der gemeinsame Kultur-Nenner.

Das ist gefährlich fürs Betriebsklima. Denn obwohl es nach dem Hänschen-Prinzip wahrscheinlich ist, dass die Führungskraft Leute einstellt, die zu ihrer jeweiligen Art passen, kann ein Schielen nach rechts und links immer für Unmut sorgen.

Daher sollten Unternehmen top down und aktiv die Eckpfeiler der Kultur definieren. Dazu müssen flächendeckende Entscheidungen getroffen werden, die für alle transparent und gleich sind.

Die Verantwortung dafür mindestens als Leadership-Team wahrzunehmen, ist für eine dauerhafte Mitarbeiter:innenbindung unumgänglich.

Individuelle Lösungen finden und leben

Gleichzeitig hat die nachwachsende Generation an Arbeitnehmer:innen (besonders Millenials und die GenZ) einen hohen Anspruch auf individuelle Lösungen.

Hier gibt es oft klare Vorstellungen, wie das eigene Leben gestaltet werden soll – auch im Kontext des Jobs. Wenn dann nur ein Jobticket im Benefit-Portfolio steht, aber niemand eins braucht, und dafür keine Chance auf Home Office oder Teilzeit besteht, wird wohl eher keine Unterschrift auf dem Vertrag landen.

Heißt: Unternehmen müssen nicht nur ein zeitgemäßes generelles Benefit- und Aktions-Programm anbieten, sondern in diesem Rahmen auch noch ehrliche individuelle Absprache möglich machen.

Spätestens hier schütteln manche in Leadership-Kreisen den Kopf und murmeln etwas von „Das hätte es bei uns nicht gegeben – wir waren froh, wenn wir einen Vollzeit-Vertrag hatten“.
Das ist sicher richtig. Aber diese unterschwellige Unterstellung einer Undankbarkeit bei heutigen Arbeitnehmer:innen übersieht die Realität, dass man heute damit niemanden mehr hinter dem Ofen vorlocken kann. Besonders nicht in weniger gut bezahlten Branchen.

Daher werden jene Unternehmen die besten Mitarbeiter:innen gewinnen und halten, die individuelle Lösungen nicht nur finden, sondern diese dann auch ohne Grummeln leben und zulassen. Das erfordert eine enorme Stärke und Zusammenhalt in der Organisation.

Psychologische Sicherheit schaffen

In diesen Zeiten großer Unsicherheit und Unruhe kann das Thema „Komfortzone“ nicht hoch genug geschätzt werden. Für einige Arbeitnehmer:innen ist das ein wichtiges Kriterium, nicht zu wechseln.

Wer also ein authentisches Gefühl von „Hier gehöre ich hin. Hier darf ich so sein, wie ich bin. Hier verliere ich nicht einfach überraschend meine Rolle, Verantwortung, Stellung“ schafft, kann im aktuellen Arbeitsmarkt-Klima punkten.

Viele Menschen sehnen sich nach wenigstens einer Konstante, einem Lebensbereich, den sie sicher einschätzen können. Eine psychologische Sicherheit rund um den Arbeitsplatz kann da sehr hilfreich und entscheidend sein.

Das bedeutet dann auch nicht, dass sich Kolleg:innen einfach ausruhen wollen (wobei es auch hierfür aktuell ein gesteigertes Bedürfnis geben kann), sondern nur, dass sie Klarheit und Sicherheit zu gewissen Rahmenbedingungen brauchen. Das kann auch das Fortschreiten der Karriere oder generell nächste Schritte betreffen.

Natürlich hat jede Beziehung zwei Beteiligte. Das bedeutet dementsprechend, dass Mitarbeiter:innen auch das passende Werte-Set und die richtige Grundhaltung mitbringen müssen, damit eine Zusammenarbeit dauerhaft erfolgreich klappt.

Tatsächlich ist aber das Unternehmen in erster Linie für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen verantwortlich. Wer das als „emotionalen Quatsch“ oder auch nur als eine Priorität weit unten auf der Business-Liste abtut, wird sehr bald einen spürbaren Nachteil auf dem Markt haben.

Daher ist es empfehlenswert, sich aktiv mit der Employee Experience auseinanderzusetzen und jetzt Weichen zu setzen, die das eigene Unternehmen zur ersten Wahl auf dem Arbeitsmarkt machen. —

Hinweis: Dieser Text erschien in femMit-Magazin 4

Foto: Adobe Stock / khosrork

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