Roter-Faden-Fragen: Sümeyye Algan
Autorin, Wertebotschafterin, Mutter, Fachberaterin
WER BIST DU UND WAS MACHST DU?
Ich heiße Sümeyye Algan, bin Autorin, Texterin theologische und kulturelle Fachberaterin, mache PR und bin Mutter von drei Söhnen. Ursprünglich komme ich aus einer religiösen, muslimischen Familie, war insgesamt 15 Jahre verheiratet und habe mein Studium und die ersten beruflichen Erfahrungen nach der Trennung von meinem Ex-Mann begonnen. Diese Zeit, die jetzt mittlerweile seit mehr als 9 Jahren andauert, war eine Achterbahn von Erkenntnissen, Gefühlen und vielen Learnings, nicht zuletzt, weil ich seither auch ohne meine Kinder lebe.
WAS IST DEINE MISSION?
Ich möchte Menschen ermutigen religiöse und gesellschaftliche Normen kritisch zu hinterfragen und eigenverantwortlich auf Grundlage von humanistischen Werten zu denken und zu handeln. Beim Schreiben meines Buches war es mir ein Bedürfnis, aufgrund meiner eigenen Erfahrungen anderen Menschen Mut zu machen und durch die Binnenperspektive für Verständigung und das gegenseitige Verständnis zu appelieren. Gegenseitiges Interesse an der Andersartigkeit unserer Mitmenschen sehe ich als Basis für ein friedliches und produktives Miteinander.
WAS BESCHÄFTIGT DICH ZUR ZEIT?
Mich beschäftigt neben meiner privaten beruflichen Situation vor allem die Entwicklung unserer Gesellschaft – politisch, bildungstechnisch und kulturell. Ich schaue auf die aktuellen Entwicklungen mit Sorge. Dabei könnte sich so vieles zum Positiven entwickeln, wenn wir Menschen verstehen würden, wie wichtig neugierige, transparente und respektvolle Kommunikation berufs-, religiös- und generationsübergreifend ist. Daher beschäftigt mich die Frage, wie man diese Haltung in die Köpfe und Herzen aller Menschen bringen kann.
WER ODER WAS HAT DICH IN DEINEM HANDELN GEPRÄGT?
Ich sage immer, ich habe zwei Leben gelebt – im zweiten bin ich gerade mittendrin. Mich haben meine Erfahrungen aus den Entscheidungen beider Welten geprägt, die Begegnungen mit Menschen im beruflichen und privaten Kontext, meine Erfolge und Niederlagen und das Beobachten vom zum Teil sturen Festhalten an gewohnheitsmäßigen Standards ohne einem Bedürfnis diese zu hinterfragen oder zu reflektieren. Gerade mit Blick auf die herrschenden Missstände in Politik und Gesellschaft halte ich dieses Vorgehen für hochgradig verantwortungslos. Natürlich immer mit Blick auf das, was wir unseren Kindern hinterlassen werden.
WAS IST ODER WAR DEIN GRÖSSTES LEARNING?
Ich habe nach einigen zwischenmenschlichen und beruflichen Niederlagen, die stets dafür gesorgt haben, dass ich meinen Bedürfnissen und Grenzen viel näher gekommen bin, gelernt, dass Aufrichtigkeit, Gelassenheit, Authentiztät und Mut Stärken sind, die unter allen Umständen bewahrt werden sollten. Die Erkenntnis, dass man nichts erzwingen kann, dass die Dinge, die für einen bestimmt sind, zur richtigen Zeit kommen und dass Menschen, Jobs und Pläne, die nicht für einen bestimmt sind, eben manchmal – auch schmerzvoll – das Leben wieder verlassen, gehörte bisher zu den wertvollsten Learnings.
WAS WÜNSCHT DU DIR FÜR DIE ZUKUNFT?
Ich wünsche jedem Menschen, unabhängig von religiösen oder sozialen Prägungen, nur über die Dinge ein Urteil zu fällen, die er selbst erfahren und für die er sich aus freien Stücken entschieden hat. Was wir als Gesellschaft brauchen und was die Realität unserer Welt erfordert, ist die Akzeptanz von Vielfalt, denn wo keine Akzeptanz herrscht, fehlt der Respekt, und wo kein Verständnis ist, findet keine Verständigung statt.
Vielen Dank.
Dies Rubrik „Roter-Faden-Fragen“ hat zum Ziel Frauen* sichtbar zu machen, sie zu stärken und für Vernetzung zu sorgen.
Foto: Annika Fußwinkel