Gamechanger Frauenfussball

Ein Gastbeitrag von Petra Gregorits, der ersten Frau im Präsidium des Fußballvereins SK Rapid Wien, über die Bedeutung von Frauenfußball.

Im Sommer des Jahres 2022 ließ Karl Heinz Rummenigge, ehemaliger Vorstandsvorsitzender Bayern München, in einem Interview mit BR24 aufhorchen: „Es ist jetzt eine Conditio sine qua non, dass der Machosport Fussball in den
Frauenfussball investiert.“

Gemeinsames Training fördert Gleichberechtigung

Europaweit stehen knapp 12 Millionen Männern 1,6 Millionen fussballspielenden Frauen“ und Mädchen gegenüber. Bis zum 14. Lebensjahr ist es der individuellen und sportlichen Entwicklung beider Geschlechter förderlich, in gemischten Teams zu spielen.

Gender Pay Gap im Fußball

Nationalspielerinnen sind zunehmend Role Models. Sie sind im Sport und Berufsleben selbstbewusst, konsequent und erfolgreich, planen ihre Karriere danach durch Ausbildungen während ihrer aktiven Spielzeit. Sie haben auch keine andere Wahl. Die aktive sportliche Karriere ist eine bewusst angelegte Lebensphase. Die EM-Startprämien 2022 der UEFA wurden für die Nationalteams der Frauen auf 600.000 Euro angehoben, während jene der Männer 2021 mit 9,25 Millionen fünfzehnmal höher waren. Weltweit wurden 2021 laut FIFA 2,2 Millionen Euro an Transfererlösen von Frauen erzielt, von Männern 4,6 Milliarden Euro, ein Faktor von 1:2.000. Der jüngste und bisher teuerste bekannte Transfer bei den Frauen ist jener von Keira Walsh, Europameisterin der englischen Lionesses, die für 400.000 Euro von Manchester City zum FC Barcelona wechselte.

Frauenfussball als Plattform für Genderthemen

Die Nielsen-Studie „Women’s Football 2019“ sieht insgesamt 62 % Männer und 38 % Frauen als Fussballfans. 54 % der Frauenfußball-Fans sind männlich. Die Männerdomäne bietet eine bis dato kaum genutzte Plattform für Bewusstseinsbildung in gender- und gesellschaftspolitischen Fragen.

Innovative Geschäftsmodelle zeigen neue Wege in der Fussballindustrie auf

Seit dem Sommer 2022 ist FC Viktoria 1889 Berlin, angeregt durch den Angel City Football Club in Los Angeles, eine Erfolgsstory. Das weibliche Gründungsteam konnte inzwischen eine Million Euro an Kapital von Investorinnen lukrieren, darunter Franziska von Almsick, beflügelt durch eine engagierte Kampagne mit einer Million Media Impressions.

Nachhaltigkeit als Zukunftsfaktor der Ökosystems Fussball

Frauen- und Mädchenfussball kann die strukturellen Herausforderungen im überhitzten Männersport stabilisieren und nachhaltig im Sinne von Transparenz- und ESG-Kriterien verändern (ESG – ecological, social, governance bzw. Umwelt, Soziales, Unternehmensführung). Auf diese Weise rechnet sich Frauenfussball in einer Umwegrentabilität für Profivereine, und damit auch für Großbetriebe und Konzerne als mögliche Partner. Engagement im Frauenfussball kann im wirtschaftlichen und sportlichen Bereich zielgruppenrelevante Themen platzieren und Türen zu Unternehmen öffnen, die bisher noch nicht im Fussball engagiert waren.

Das große Miteinander ist möglich

Die Evaluierung der UEFA Frauenfussball-EM 2022 in Großbritannien sieht in den nächsten zehn Jahren großes Wachstumspotenzial bei den Frauen. Fussball als Spiegel der Gesellschaft wird erst dann glaubwürdig und sich wirtschaftlich gesund weiterentwickeln, wenn im Sinne einer zeitgemäßen Governance auch „die zweite Hälfte“ repräsentiert und aktiver einbezogen ist, auf Ebene der Spielerinnen, Fans, Managerinnen, Betreuerinnen und Funktionärinnen, und zwar auch im Männersport. Der gesellschaftspolitische Aspekt wird somit zum Entschleuniger in der anstehenden Transformation des Ökosystems Fussball. —

Daten und Fakten
Die polnische Nationalspielerin Ewa Pajor hat beim VfL Wolfsburg eine Ausstiegsklausel von 1 Mio Euro, was aktuell eine große Ausnahme darstellt. Die australische Nationalspielerin Samantha Kerr verzeichnet beim FC Chelsea mit 500.000 Euro das höchste bekannte Jahresgehalt. Dzenifer Maroszan gilt mit 350.000 Euro bei Olympique Lyon als bestbezahlte deutsche Spielerin. Das Jahresbruttogehalt im deutschen Profifussball liegt bei durchschnittlich 40.000 Euro, jenes in der österreichischen Frauenfussball-Bundesliga hingegen bei durchschnittlich 18.500 Euro. Der spanische Verband verkündete im Juni noch vor der EM 2022, Gehälter und TV-Einnahmen an die Nationalspielerinnen in selber Höhe wie an die Herren auszuzahlen und zu verteilen.

Hinweis: Dieser Text erschien erstmals in femMit-Magazin Ausgabe 5.

Foto: AdobeStock/Joe

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