Wertschätzung im Miteinander – wie kann das funktionieren?

Text: Stefanie Söhnchen

Die Frage wabert vermehrt durch Unternehmen. Stefanie Söhnchen, Life-Coach und ­Kommunikationsberaterin, versucht sich im Folgenden an einem Gedankenspiel.

Direkt vorab: Wie Wertschätzung aussieht, ist eine sehr individuelle Vorstellung. Und da liegt auch schon der Hase im Pfeffer. Um unserem Gegenüber erfolgreich Wertschätzung zu vermitteln, braucht es eine gehörige Portion Empathie, eine gute Beobachtungsgabe und ein ehrliches Bedürfnis, dem Individuum dort zu begegnen, wo es getroffen werden will. Erfahrungsgemäß kränkeln Mitarbeiter:innen-Kommunikation und auch andere Beziehungen oft an der Tatsache, dass wir a) in unserer Herangehensweise von uns selbst ausgehen und sie dem anderen überstülpen, oder b) eine Art Blaupause für den Ausdruck von Wertschätzung verwenden, die sich nicht gezielt auf das Individuum richtet.

Wir halten fest: Wertschätzung ist dann gelungen, wenn sie sich auf ein spezielles Individuum bezieht, und zwar auf eine Art, die zu genau dieser Person passt.

Individuell ist das Zauberwort

So weit, so schwierig – individuelle Bedürfnisse zu erkennen, ist nun nicht gerade einfach. Mir hat in diesem Bereich das Buch „The 5 Love Languages“ von Dr. Gary Chapman maßgeblich die Augen geöffnet (auch für meine Ehe und die Beziehung zu meinen Kindern). Das Buch beschreibt, dass es im Wesentlichen fünf Arten gibt, Liebe auszudrücken: Zeit verbringen, Geschenke bekommen, Lob erhalten, Dienstleistungen bekommen, berührt werden. 

Die Idee ist, dass jeder Mensch eine dieser Liebes-Sprachen als die wirksamste empfindet – heißt: Wenn jemand auf diese Weise mit der Person umgeht, füllt sich ihre „Liebesbatterie“ und sie weiß, dass die andere Person sie wirklich liebt.

Ein Beispiel: Die Love Language von Person XY ist es, Dienstleistungen bekommen. Heißt, wenn ihr Herzensmensch den Müll rausbringt, ist das etwas, mit dem er ihr zeigt, dass er sie wertschätzt. Jetzt neigen wir dazu, unsere Liebe auf die Art auszudrücken, die bei uns selbst funktioniert. Die Love Language des hier erwähnten Herzensmenschen ist es aber, Lob zu erhalten. Heißt, wenn Person XY ständig Sachen für ihn erledigt, findet er das sicher praktisch. Aber bei ihm kommt nicht an, dass er geliebt wird. Das würde vielmehr über unterstützende Nachrichten funktionieren oder das Hervorheben in Gesprächen. Würde er unsere Person XY hingegen ständig loben, würden zwar beide  ihre Zugewandtheit ausdrücken wollen – aber doch aneinander vorbeilieben. 

Fragen stellen um Beziehungen zu verbessern

Und bei der Kommunikation von Wertschätzung ist das nicht groß anders. In den seltensten Fällen nehmen wir uns die Zeit, herauszufinden, was wir tun oder wie wir etwas verpacken können, damit der:die andere unsere Wertschätzung wirklich empfindet. Bei der Ausgestaltung des Ausdrucks können wir uns auch im Business-Kontext an den Love Languages orientieren (mit der deutlichen Ausnahme des Berührtwerdens).

Für manche Mitarbeitende ist das Zwiegespräch oder das öffentlich ausgesprochene Lob die wichtigste Form von Wertschätzung. Für manche ist es mehr Geld oder ein Titel. Manche möchten, dass ihnen von den Kolleg:innen und Chef:innen aktiv zugehört wird und sie bei wichtigen Diskussionen selbstverständlich mit am Tisch sitzen, und wieder andere schätzen es, wenn sie sich nicht selbst um ihre Reisebuchung oder IT-Set-ups kümmern müssen.

Herauszufinden, was die einzelnen Mitarbeiter:innen sich im Bereich Wertschätzung wünschen, ist wichtig und hilfreich. Ebenso hilfreich ist eine Reflexion über das eigene Verständnis, damit man dieses klar beschreiben kann. 

„Was kann ich tun oder sagen, damit du weißt, dass ich dich wertschätze?“ Diese Frage kann Teams aller Art glücklicher machen: Arbeitskolleg:innen, Beziehungen, Freundschaften. 

Sich auf andere einzustellen ist harte Arbeit

Nun kann es passieren, dass uns die ehrliche Antwort nicht taugt. Wenn zum Beispiel die Love Language der:des anderen unangenehm für uns ist oder wir einfach wenig Übung darin haben.  Doch Sprachen kann man lernen. In der Beziehungsarbeit kann es ein Durchbruch sein, wenn sich jemand aktiv für oder gegen das Einstellen auf die Bedürfnisse der:des anderen entscheidet. 

Denn oft kriselt es dann, wenn wir es uns etwas zu einfach machen. Wege gehen, die uns bekannt und angenehm sind, die uns weniger Zeit und Hirnschmalz kosten. Doch der Wille, zu lernen zahlt sich aus, auch im Arbeitsleben: Führungskräfte, die sich individuell auf ihre Teammitglieder einstellen und schauen, welche Verhaltensweisen bei welchem Teammitglied Wertschätzung vermitteln, können sich in den meisten Fällen über starke Motivation und hohe Loyalität freuen.

Wer jetzt Lust hat, einen kleinen interaktiven Test zur eigenen Love Language zu machen, kann das kostenlos unter: www.5lovelanguages.com tun. —

Hinweis: Dieser Text erschien in femMit-Magazin Ausgabe 5

Foto: AdobeStock/Wayhome Studio

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