Grad-Wanderung
von Lisa Gerth
Milde Temperaturen, Schneemangel und schmelzende Gletscher stellen den Wintersport vor große Herausforderungen. Gleichzeitig sichert Skitourismus vielen Regionen wirtschaftlichen Erfolg und ist wichtiger Bestandteil der Sportlandschaft in Deutschland. Ist Wintersport in Zukunft noch möglich?
In kaum einem Bereich ist der Klimawandel so deutlich spürbar wie im Winter. Schnee ist Mangelware. Temperaturen unter dem Gefrierpunkt werden immer seltener erreicht. Die Gletscher schmelzen. Auf der anderen Seite stehen rund 15 Millionen Deutsche, die zumindest gelegentlich Ski oder Snowboard fahren. Beliebteste Region für Wintersport: die Alpen. Weltweit befinden sich rund 33 Prozent aller Skigebiete in Mitteleuropa. Dazu kommen 40 Prozent aller betriebenen Skilifte. Mit 51 Millionen Skifahrertagen pro Saison profitiert Österreich mit Abstand am meisten vom Skitourismus. Deutschland liegt mit vier Millionen auf Rang fünf der Alpenländer. Im Allgäu wurden im Winterhalbjahr 2021/22 vier Millionen Übernachtungen gezählt. Im gleichen Zeitraum machten die österreichischen Seilbahnbetriebe einen Umsatz von 1,4 Milliarden Euro. Trotz des wirtschaftlichen Erfolges ist Skifahren aus ökologischer Sicht eine Katastrophe.
Umweltsünde
Skitourismus ist ohne Schneekanonen kaum noch möglich. In Österreich lag im Jahr 2019 auf 70 Prozent der Pisten Kunstschnee. Die Herstellung des künstlichen Weiß belastet die Umwelt. Die Schneekanonen in den Alpen verbrauchen pro Jahr etwa so viel Energie wie 500.000 Haushalte. Dazu kommt der hohe Wasserverbrauch. Allein für einen Hektar Kunstschnee werden 20.000 gefüllte Badewannen gebraucht. Das entspricht drei Millionen Liter Wasser. Wasser, das bei der örtlichen Versorgung fehlt. Zudem greift der künstliche Schnee in den Wasserhaushalt ein. Er erhöht die Menge des Schmelzwassers und seine Zusammensetzung belastet Speicherseen mit Keimen. Schneekanonen stören auch Wildtiere. Da diese vor allem abends laufen, durchbrechen sie die Ruhephasen der Tiere. Mit der Folge, dass Gämse, Vögel und Murmeltiere unter Stress und erhöhtem Energieverbrauch leiden. Ein weiterer Faktor, der Skifahren problematisch macht: die An- und Abreise. Fast alle Skitourist:innen kommen mit dem Auto. Das macht rund 60 Prozent des CO₂-Ausstoßes der Reise aus. Die Wahrheit ist aber auch, dass die Zugfahrt oft länger dauert und teurer ist.
Mit grünem Gewissen auf die Piste
Laut Kulturgeograf Werner Bätzing ist Skifahren nur dann nachhaltig, wenn man sich auf Naturschnee bewegt. Trotzdem ist grüner Skiurlaub möglich. Immer mehr Wintersportgebiete sind sich der Umweltbelastung bewusst und entwerfen Konzepte, die Natur zu schützen und den CO₂-Ausstoß verringern. Das Skigebiet SnowSpace in Flachau, St. Johann und Wagrain im Salzburger Land gilt als Vorreiter in puncto Nachhaltigkeit. Mit kostenlosen ÖPNV-Tickets für die Besucher:innen, einem Liftbetrieb, dessen Geschwindigkeit sich am Besucheransturm orientiert, und Energie aus nachhaltiger Produktion wird Kohlenstoffdioxid reduziert. Christina König, Geschäftsführerin von SnowSpace, bemerkt auch bei den Besucher*innen zunehmend eine Sensibilisierung für Nachhaltigkeit. Bei der Frage, ob die Gäst:innen für die ökologischen Strukturen tiefer in die Tasche greifen müssen, verneint sie. „Die Tickets werden dadurch nicht teurer. Nachhaltigkeit ist unsere Unternehmensphilosophie. Es ist nicht der Plan, das auf die Tickets umzumünzen“, sagt sie in der ARD-Dokumentation „Skifahren trotz Klimawandel“. Auch Hotels tragen zu einem umweltfreundlichen Urlaub bei. Zertifikate wie das „Greensign“ oder die „Blaue Schwalbe“ geben Auskunft über Abfallwirtschaft, Gästetransport oder regionale Produkte. Werner Bätzing rät Urlaubenden sich für dezentralen Tourismus in kleinen naturbelassenen Skigebieten zu entscheiden. „Ein Tourismus, der die winterlichen Alpen als Erlebnis- und Kulturraum entdeckt. Wo man sich aus eigener Kraft körperlich bewegt, ein echtes Alpenerlebnis hat, die Berge mit allen Sinnen erlebt und etwas für seine Gesundheit tut“, sagt Bätzing in einem Interview mit dem Spiegel.
Klimakiller Leistungssport?
Neben dem privaten Vergnügen auf der Skipiste ist der Wintersport in Deutschland auch fester Bestandteil des professionellen Leistungssports. Hinter Fußball, der mit Abstand beliebteste Sport beim deutschen Publikum, erfreuen sich Biathlon, Skispringen und Ski Alpin ebenfalls großer Beliebtheit. Der Deutsche Skiverband hat mit der Austragung der Biathlon- und Rennrodelweltmeisterschaft 2023 in Oberhof ein Prestigeprojekt im Bereich Nachhaltigkeit gestartet und eine Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet. Bis 2040 will der Verband klimaneutral sein. In Oberhof wurden die bestehenden Sportanlagen mit dem Ziel modernisiert, den Energiebedarf und die Treibhausemissionen dauerhaft zu minimieren. Die Anlagen sollen nicht nur im Winter, sondern das ganze Jahr von Tourist:innen genutzt werden. Der Strom kommt aus Fotovoltaikanlagen und die Wärmeversorgung der Gebäude wird durch vor Ort entstehende Abwärme organisiert. „Mit großer Sorgfalt und dem Anspruch, so ressourcenschonend wie möglich zu arbeiten, haben wir in den zurückliegenden Jahren vieles neu gedacht. Im Spannungsfeld zwischen Umwelt und Wintersport war es notwendig, Lösungen zu finden, die den traditionsreichen Standort sichern und zugleich deutlich machen, dass der Klimawandel keine Randerscheinung, sondern Zukunftsaufgabe ist“, erklärt Dr. Hartmut Schubert, Verbandsvorsitzender des Zweckverbandes Thüringer Wintersportzentrum. Bei den Veranstaltungen selbst setzen die Organisator:innen auf lokale Anbieter:innen beim Angebot von Speisen und Getränken und nutzen biologisch abbaubares Geschirr. Statt Schnittblumen wurden den Sportler:innen bei der Siegerehrung Bäume gewidmet.
Wintersport ohne Schnee
Bleibt die Frage, ob man zum Skifahren in Zukunft überhaupt noch Schnee braucht. Die Firma Mr. Snow aus Chemnitz garantiert Skispaß ohne Schnee – auf textilen Skipisten. Gemeinsam mit der TU Chemnitz entwickelten Geschäftsführer Jens Reindl und sein Team einen gleitfähigen Kunststoff, der ohne Bewässerung, Kühlung oder umweltschädliche Öle auskommt. Damit ist Skifahren auch im Sommer möglich. „Was wir unterstützen wollen, ist, dass man nicht noch weiter wegfährt und in noch höhere Lagen und noch mehr Gletscher ausbeutet. Sondern, dass man regional Ski fahren kann, vielleicht auch mal nach Feierabend. Vielleicht kann man auch mit der Straßenbahn oder der S-Bahn hinfahren“, sagt Jens Reindl. Die ersten Skigebiete in Deutschland nutzen bereits die Matten. Jens Reindl ist bewusst, dass sein Produkt bei der Verarbeitung von Kunststoff noch Schwächen hat, doch in Zukunft will Mr. Snow alternative Materialien nutzen. —
Foto: Snow Space Salzburg Lorenz Masser