Safer Spaces im Gesundheitswesen
Jede und jeder möchte sich bei der medizinischen Behandlung sicher fühlen. Für Menschen aus der LGBTQIA*-Community mit internationalem Hintergrund oder Menschen, die aufgrund ihres Aussehens von Diskriminierung betroffen sind, ist dies nicht immer gegeben. Sara Grzybek hat deswegen Queermed Deutschland ins Leben gerufen. Eine Plattform, die auf Basis von Empfehlungen queerfreundliche und sensibilisierte Praxen auflistet. femMit hat mit Sara Grzybek gesprochen.
Was ist Queermed Deutschland genau?
Es ist das Verzeichnis, über das queerfreundliche und sensibilisierte Praxen empfohlen und gesucht werden können. Über einen anonymen Fragebogen werden mehrere Bereiche abgefragt, wie Kontaktmöglichkeiten, Grad der Barrierefreiheit und Umgang. Nur ein kleiner Teil des Fragebogens weist Pflichtfelder auf, wie die Kontaktdaten zur Praxis.
Empfehlungen mit mehreren Informationen sind natürlich hilfreicher. Bei den Gruppenzugehörigkeiten sollen Patient*innen die Gruppen nennen, zu denen sie sich selbst zugehörig fühlen. Unter den 26 Selbstbezeichnungen finden sich unter anderem: trans* Menschen, Schwarze Menschen, Jüdinnen*Juden, mehrgewichtige oder wenigergewichtige Menschen und Menschen mit Erfahrung sexualisierter Gewalt.
Der wichtige Aspekt dabei ist Intersektionalität. Also das Zusammenspiel von verschiedenen Diskriminierungsformen als auch Privilegien miteinander und dem Verständnis dahinter.
Wie bist du dazu gekommen, dieses Projekt ins Leben zu rufen?
Eigentlich war es ein Zufall. Nach ehrenamtlichen Tätigkeiten in verschiedenen Bereichen war ich auf der Suche nach einer neuen sinnstiftenden Tätigkeit. Über Instagram bin ich Anfang 2021 auf Queermed Österreich gestoßen und habe mich gefragt: Haben wir so etwas auch in Deutschland? Warum nicht? Nach einem Austausch stand fest, ein solches Verzeichnis in Deutschland aufzubauen. Über Monate hinweg habe ich an der Website gebaut: Ende Mai 2021 war es dann soweit und die Seite ist live gegangen. Ich war sprachlos über das positive Feedback, was immer noch anhält.
Für wen ist das Projekt gedacht?
Das Projekt ist für alle, die Safer Spaces im Gesundheitswesen suchen.
Warum braucht es Safe Spaces?
Bei einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von 2021 kam raus, dass 26,4 Prozent der befragten Personen in den vergangenen zwei Jahren Diskriminierung im Gesundheitswesen erfahren haben. Ähnliches höre ich aus dem Bekanntenkreis oder kenne es von mir selbst.
Als Patient*in befinde ich mich beim Praxisbesuch in einem Machtgefälle: Mir geht es nicht gut, mental oder körperlich, und ich suche fachliche Hilfe. Wenn mir ein Mensch gegenübersteht, der zwar über fachliche Kompetenzen verfügt, aber empathielos ist, vielleicht sogar (un-)bewusst diskriminierend, wie soll ich dieser Person dann vertrauen? Solche Erfahrungen können dazu führen, dass Menschen seltener Praxen aufsuchen und so ihre Gesundheit riskieren. Queermed soll deshalb positive Erfahrungen sammeln.
Was macht eine queerfreundliche und sensibilisierte Praxis aus?
Respekt und Empathie gegenüber jedem Menschen. Das ist auch das, was am häufigsten aus den Empfehlungen zu lesen ist. Danach kommt das fachliche Wissen, was noch an manchen Stellen großflächlig fehlt, wenn es um spezifische Themen geht, wie zum Beispiel zur Versorgung von trans* Menschen. Viele Medizinstudierende fordern aktuell, dass die Lehrpläne an den Universitäten dahingehend angepasst werden. Ein Leitfaden auf Queermed kann von Behandler*innen als Anstoßstein für die Verbesserung ihrer Arbeit dienen.
Das Verzeichnis wurde gefüllt durch die Community. Können sich auch Ärzt*innen, Therapeut*innen und Praxen direkt bei Queermed melden, um in die Datenbank aufgenommen zu werden?
Nein, in diesem Verzeichnis sollen Patient*innen in ihren eigenen Worten von ihren positiven Erfahrungen sprechen, mit dem Wissen, dass damit weiteren Menschen geholfen werden kann. —
Sara Grzybek (keine Pronomen) hat Mitte 2021,
neben der Lohnarbeit im Marketingbereich
eines Startups, Queermed Deutschland gegründet.
Foto: Adobestock/Pixel-Shot